Die Aussicht auf das weite tiefblaue Meer ist überwältigend. Das Hotel Alpino Atlantico liegt in einem kleinen Resort in Caniço - eine Gemeinde zwischen Flughafen und der madeirischen Hauptstadt Funchal - und besticht durch seine atemberaubende Lage über den Klippen des atlantischen Ozeans, fernab von jeglichem Trubel. Die Gäste kommen hauptsächlich zur Ayurveda-Kur hierher und alle erfreuen sich an der Langsamkeit und Ruhe dieses Ortes.
Da wir bereits um 9.30 Uhr gelandet und keine 30 Minuten später in unserem Hotel sind, haben wir den ganzen schönen langen Tag vor uns. Nachdem wir uns in unseren geschmackvollen Zimmern eingerichtet haben, steht unser erstes ayurvedisches Mittagessen auf der herrlichen Sonnenterrasse auf dem Programm.
Ein Hoch auf das Mittagessen
Die ayurvedische Küche begleitet uns nun eine Woche lang. Sie ist vegetarisch und vermeidet Nahrungsmittel mit hohem Fett- und Eiweissgehalt sowie fermentierte Speisen und Getränke. Das Essen ist ein wichtiger Bestandteildes ayurvedischen Lebensprinzips. Trotz gewisser Einschränkungen ist die Vielfalt und Reichhaltigkeit der Mahlzeiten erstaunlich, denn das Mittagessen ist im Ayurveda die wichtigste Mahlzeit des Tages.
Wir wissen gar nicht, wo anfangen, und schöpfen unsere Teller voll mit den verschiedensten Gemüsen, Getreidebeilagen,Chutneys, Kräutern, Gewürzen und Früchten. Es riecht intensiv, würzig und zum Teil scharf. Nach einem Teller ist man zwar satt - doch die Lust, das ganze Angebot zu probieren, ist unbändig, und ich gönne mir einen zweiten Teller. Plötzlich blitzt der Gedanke auf,dass dies am Ende der Ferien zu zwickenden Jeans führen könnte. Doch Birgit Moukom, die Leiterin des Kurzentrums, beruhigt mich. Die Speisen seien fein auf unsere Bekömmlichkeit abgestimmt, und deshalb müsse ich, auch wenn ich schlemmte, keine Gewichtszunahme befürchten.
Mitte Woche lernen wir bei einem Koch-Workshop mit der Chefköchin, dass ayurvedisch zu kochen auch für unsere Breitengrade relativ unkompliziert und schnell ist. Dass die ausgewogene Speisen vielfalt genussvoll ist und satt macht und vor allen Dingen keine Gelüste nach Salzigem, Süssem, Saurem oder Scharfem aufkommen lässt, ist das Herausragende und Spezielle an dieser Küche. Ernährungsmässig sind wir bereits in unser Entgiftungs-Programm eingestiegen.
Weiter geht es nun mit Yoga. Zweimal pro Tag praktizieren wir Yoga. Die Schweizer Yogalehrerin Marlis Noetzli, die die Reise organisiert hat,hat dafür ein spezielles Programm zusammengestellt. Es unterstützt die Reinigung, Entschlackung und Entgiftung auf allen Ebenen und bringt frische Lebensenergie hervor. Unsere sechsköpfige Gruppe versammelt sich dazu jeweils zwei Stunden am späten Nachmittag und am frühen Morgen. Wir benutzen einen modernen Yoga-Raum mit Sicht auf den wundervollen Atlantik - nur schon der Meerblick lässt uns ruhig und offen werden.
Ein Energiekick am Morgen
Morgens um sieben finden wir uns alle schweigend im Yoga-Raum ein. Marlis Noetzli startet die Lektion mit einer Morgenmeditation. Dieser entspannte Auftakt entschädigt mich, da ich in den Ferien gerne etwas länger liegen bleibe.
Nach der Meditation gehen wir über zu Pranayama. Wir stoppen unsere herumwirbelnden Gedanken mit ein paar Serien Kapalabhati und das nachfolgende Nadi Shodhana lässt uns fokussiert und klar werden.Diese Atemübungen in der Morgenfrische und nahe dem Meer lassen unseren Körper spürbar mit Prana anreichern- ein Energiekick pur.
Nun sind wir bereit für die Asanas: Wir praktizieren einige Sequenzen traditioneller Sonnengrüsse - stets mit Blick auf das weite Meer. Die weiteren Asanas fügen sich direkt an und bewegen den ganzen Körper, wobei daraufgeachtet wird, dass insbesondere die diversen Ausscheidungsorgane aktiviert werden. Damit vertreiben wir das letzte bisschen Müdigkeit und bringen Wärme in Körper und Seele. Die Nachmittagslektion startet jeweils um fünf Uhr.
Am ersten Tag macht uns Marlis Noetzli bewusst, dass wir uns durch die Yoga-Philosophie auch geistig mit dem Thema Entgiftung befassen werden.
Das Ziel dieser Woche ist, unsere Gedanken und Emotionen ebenfalls zureinigen, indem wir mit der wachsenden Lebensenergie die Verbindung zu unserem Selbst (Sva) erspüren und stärken. Mit dehnenden und entspannenden Asanas balancieren wir uns und kommen zu mehr Klarheit, Wachheit,Kraft und Selbstverständnis. Wir fangen an, achtsamer mit uns und unserer Umwelt umzugehen und fühlen uns leicht und voller Energie.
Es geht nicht jeden Tag nur aufwärts. Kleine Rückschritte - sei es körperlich oder mental - zeigen mir, wo ich Korrekturen vornehmen soll. Dabei helfen mir Feedbacks von Marlis Noetzli und Gespräche innerhalb der Gruppe. Wir sind alle auf dem Weg und bis am Ende der Woche werden wir unser Ziel erreichen.
Ayurvedische Massagen
Ein weiterer Aspekt unserer Detox-Woche sind die ayurvedischen Behandlungen. In seinem informativen Vortrag erklärt uns Dr. Gopal aus Kerala, der ayurvedische Arzt des Kurzentrums Refugio Dos Sonhos, die über 5000 Jahre alte Gesundheitswissenschaft. Hier erfahren wir, dass viele uns bekannte Nahrungsmittel, Kräuter und Gewürz ein der Ernährung für unsere alltäglichen Beschwerden eingesetzt werden können. Es scheint im Ayurveda für alles und jedes ein Hausmittelchen zu geben.
Im persönlichen Gespräch mit Dr. Gopal bestimmt er unseren Konstitutionstyp, genannt Prakriti. Ich weiss nun, dass ich ein Vata-Pitta-Typ bin. Noch wichtiger ist für ihn, mit seinen strukturierten Fragen, Blut- und Pulsmessung herauszufinden, welches der drei Doshas - Vata, Pitta oder Kapha - zurzeit im Ungleichgewicht steht. Bei mir ist es das Vata-Dosha. Aufgrund dessen stellt er den individuellen Behandlungsplan zusammen: vier ayurvedische Massagen, Tee, von dem wir nun täglich mindestens einen Liter trinken, sowie gewisse Kräuter oder Gewürze,die wir als Ergänzung zu den Mahlzeiten einnehmen sollen. Ich trinke die ganze Woche Kreuzkümmel-Tee - und gewöhne mich schnell an sein Aroma.
Auf die Massagen freuen wir uns alle täglich. Diese sind Wellness pur. Es ist immer wieder eine Freude, wie entspannt, gelöst - ja geradezu verklärt - unsere Gruppe nach der Massage herumwandeltund die Wohltat nachwirken lässt.
Yoga in der Natur
Die Insel Madeira ist ein kraftvoller Ort. Dies spürt man an vielen Stellen sehr gut. Sei es auf einer meditativen Wanderung entlang der Levadas - künstliche Wasserläufe-, in einem Lorbeerwald, auf dem Pico do Arieiro, dem dritthöchsten Berg auf Madeira, unter dem nächtlichen Sternenhimmel bei einer Meditation auf einer Waldlichtung oder am eindrücklichen Ponta do Castello, wo die Urkraft des Meeres uns völlig in Bann schlägt, die Erde zu vibrieren scheint und wir ohne nachzudenken eine meditative Stellung einnehmen und beginnen, Ujjayi zu atmen. Diese ozeanische Atmung verbindet mich mit den rollenden Wogen des Meeres und lässt mich still und ruhig werden. Auf einmal erkenne ich, wo wir einst unsere Wurzeln hatten. Dabei werde ich von einer grossen Zufriedenheit und Glücksgefühlen durchströmt. Ich bin völlig in mich gekehrt und doch sind alle Sinne hellwach - es ist ein unglaublich schönes Gefühl, und es fällt schwer, diesen Ort zu verlassen.
Die Yoga-Detox-Woche ist ein voller Erfolg. Eine Teilnehmerin fasst in Worte, was alle spüren: "Der Höhepunkt dieser Woche war für mich, dass ich in so kurzer Zeit erfahren habe, wie sich mein Geist entschleunigt, meine Seele entrümpelt, mein Körper entgiftet. Ich konnte meine Ichs erkennen und unsere wunderschöne Erde entdecken und erleben.
Marlis Noetzli führt Yogaretreats in Madeira durch:
www.balanceyogacenter.ch