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Ayurveda
06 Oktober 2016

Reisebericht Mauritius von Marlies Noetzli

Mauritius - eine Reise zum inneren Glück

Die Yoga-Lehrerin Marlies Noetzli war im Shanti Maurice und hat einen tollen Artikel verfasst, der im Yoga! Das Magazin August/September 2016 veröffentlicht wurde.

Eine traditionelle Panchakarma Kur reinigt Körper und Geist. Die wunderschöne Lage des Hotels auf Mauritius mit seiner Gartenanlage und dem weissen Sandstrand führen dazu, dass man sich nicht nur wie im Paradies fühlt, sondern auch bei sich selbst ankommt.

Eine ruppige Flugreise sowie eine holprige und kurvige Fahrt per Taxi bringen mich ins Hotel Shanti Maurice. Auf der gesamten Reise ertappe ich mich dabei, wie ich tief durch die Nase einatme und durch den Mund mit einem Hauch wieder aus. 'Reinigungsatem' nennt man dies bei uns im Yogi-Jargon. Meine Kur hat damit bereits auf der Hinreise begonnen - ich bin definitiv reif dafür! Angekommen im Hotel werden wir aufmerksam empfangen. Was bin ich froh, hier zu sein, und wie habe ich mich auf diese Zeit gefreut. Endlich will ich selber wieder einmal auffrischen und geniessen. Am gleichen Tag ist bereits mein Termin beim Arzt angesetzt. Er empfängt mich mit einem warmen Lächeln und lädt mich ein, mich zu setzen. Irgendwie schäme ich mich. Müde und ausgelaugt von der Reise und der Kopf voll mit all den unerledigten Dingen, die ich vor der Abreise hätte tun wollen, fühle ich mich alles andere als fit für die Konstitutionstypenbestimmung.

Balance in den Körper bringen

Der Arzt erklärt mir in aller Ruhe die Bedeutung der drei Doshas (Lebensenergien). Vata, Pitta und Kapha stören, heilen und beeinflussen sich gegenseitig. Einige Fragen sollen meine Konstitution ergründen und Hinweise auf die Störung geben.

Verfestigt wird der Befund mittels Puls-, Zungen- und Augendiagnostik. Weiter erklärt er die drei Hauptbestandteile der Kur: Reinigung, Entgiftung und Verjüngung. Die Behandlungen, das Essen und die Rasayanas (ayurvedische Heil- oder Verjüngungsmittel) werden auf meinen Typ abgestimmt. Alsbald habe ich den Papierausdruck meines Behandlungsplanes in den Händen, der täglich zwei Anwendungen beinhaltet. Ergänzt werden diese mit Yoga, Meditation und Reiki. Die erste Behandlung ist eine Reiki-Sitzung in einem wohlig warmen Behandlungsraum. Leise Sphärenmusik Duftlampe und Kerzenlicht laden mich ein, herunterzufahren. Die achtsame Anweisung des Therapeuten, mich während der Behandlung ganz mit mir selber und dadurch mit den Energien des Universums zu verbinden, tut wohl - ich tauche vollends ab. Bereits am Nachmittag erfolgt die erste Ayurveda-Behandlung. Evi, die Therapeutin, erklärt mir, dass ich nun ein Sneha Vasti bekomme, die einleitende Reinigungsanwendung. Das ist eine Methode zur Ausschleusung von Stoffwechselabbauprodukten, unverdauten Nahrungsbestandteilen und Umweltgiften. In meinem Fall wird diese mit einem Einlauf vorgenommen.

Sesamöl von Kopf bis Fuss

Im Behandlungsraum werde ich von Kopf bis Fuss mit warmem Sesamöl eingeschmiert. Lange kreisende Massagebewegungen beim Solarplexus und Unterleib sowie dem unterem Rücken folgen. Warme Tücher werden aufgelegt und wieder entfernt. Alsbald soll ich mich auf die Seite legen. Ich bin überrascht, wie sanft und liebevoll diese Anwendung durchgeführt werden kann. Ich fühle mich vollends umsorgt und behütet. Nach der Behandlung bin ich dankbar für den warmen Zitronengrastee, der mir im Garten des Spas gereicht wird.

Langsam nehme ich nun auch die Umgebung war. Blumen, Sträucher, ein Teich mit Koi-Fischen und das fröhliche Plätschern eines kleinen Baches sind die ersten Impressionen, die meinen müden Geist erreichten.

Das nachfolgende Nachtessen ist die Überraschung pur. Ich geniesse die beste Tomatensuppe meines Lebens und danach ein herrliches Reisgericht mit viel Gemüse. Eingeleitet wird die Mahlzeit mit einem ayurvedischen Heilkräutersaft abgestimmt auf mein Vrkritti (Störung der Konstitution). Er schmeckt herrlich, hat für mich die Symbolik eines echten Lebenselixiers und soll mir fortan bei jeder Hauptmahlzeit vor dem Essen gereicht werden. Sozusagen als Verdauungs-, Reinigungs- und Verjüngungsmittel, ist mir erklärt worden. Der Einlauf löst die tiefgreifende Entleerung meines Darmes aus, die mir angekündigt worden ist. Danach bin ich wirklich leer - leer von Luft und festem Material - und mein Bauch ist so flach wie schon lange nicht mehr. Mir wird klar, dass ich soeben in den Genuss von einer der fünf möglichen Reinigungstechniken des klassischen Ayurveda gekommen bin. Sie wirkt tiefgreifend und zugleich angenehm erleichternd

Ankommen im inneren

Der zweite Tag beginnt mit einem feinen Frühstück: leckerer Haferbrei mit Kokosmilch gekocht und Bananen angereichert. Ich bin froh über die warme Mahlzweit. Etwas später finde ich mich auf der Matte zur Yoga-Privatlektion. Mein Lehrer Anil bewegt mich in alle Richtungen. Apanasana und Drehbewegungen wurden eingebaut. Der Darm, welcher damit gereinigt werden soll, antwortete mit fröhlichem Grunzen.

Auch das nachfolgende dreigängige Mittagessen ist nährend und unterstützend. Bereits nach dieser kurzen Zeit scheint mir, ich hätte etwas von meiner Lebensenergie zurückgewonnen. Die vierhändige Ayurveda-Massage mit Sesamöl, welche zwei Therapeutinnen am Nachmittag absolut harmonisch abgestimmt durchführen, erhöht dieses Gefühl noch mehr. Am dritten Tag beginne ich mich an den Tagesablauf zu gewöhnen: Frühstück - Behandlung – Mittagessen – Ruhepause – Behandlung – Nachtessen – Nachtruhe. Die herrliche Natur nimmt mich ganz ein. Farbige Vögel in allen Grössen singen um die Wette. Kokosnusspalmen, blühende Bananenstauden, bunte Sträucher und Blumen formen die wunderschöne Hotelanlage. Der weisse, lange Traumstrand, feinsandig und menschenleer, lädt zum Spazieren ein. Das Meer zeigt sich von der besten Seite, einmal mit meterhohen Wellen, einmal glasklar und türkisblau still. Die Zeit für mich zwischen den Behandlungen wird zur Zeit der Meditation, sei es beim Gehen, Schauen oder Sitzen. Anstrengungslos und ohne lange Vorbereitung tauche ich immer wieder in ganz stille innere Momente ein. Zunehmend breitet sich ein Gefühl der Wonne aus. Meine Augen beginnen zu strahlen. Die Haut wird durch die Massagen mit Kräuterstempeln, Sesamölanwendungen und dem Besuch der Dampfdusche seidenweich. Ich fühlte mich herrlich. Der Alltag rückt in weite Ferne. 

Das "ICH" als Hindernis aufgeben

Beim Stirnguss (Shirodhara) scheint mir der knöcherne Teil meines Schädels weggeschwemmt zu werden. Das Öl fliesst direkt durch die Hirnwindungen. Die Hirnsubstanz erscheint nicht mehr grau, sondern durch viele mikrokleine Punkte zu leuchten. Gedanken sind nicht mehr da. Nur noch pures Gewahrsein.

Über den Zeitraum der Behandlungstage hört mein Gefühl für Zeit und Raum auf. Verwöhnt von liebevollen und herzlichen Menschen, die jeden Wunsch von den Augen ablesen, werden Stunden zu Tagen, Tage zu Wochen. Das viele Sein unter freiem Himmel tut einfach nur gut. Ich scheine bereits ewig hier zu sein - vergesse, welcher Tag ist.

So bin ich ziemlich überrascht, als die letzte Anwendung angekündigt wird: Pizhichil steht auf meinem Blatt. Dabei werden literweise warmes Sesamöl über den Körper gegossen. Die streichenden ruhigen Bewegungen der zwei Therapeutinnen verteilten es fein und leicht. Allmählich werde ich zur Ölsardine, schwadernd im warmen Öl fliesst definitiv alles von mir ab. Bis auf die Knochen scheint das Öl durch all meine Muskeln, Bänder, Faszien zu fliessen. Es wird hell, still und sehr leicht. Pures Glück breitet sich aus - Fülle und Leere zugleich. Irgendwo ganz leise die Sicherheit: So muss es im Himmel sein! «Madame, ihre Behandlung ist vorbei», bringt mich zurück. Ich liege wieder auf der Holzliege, überall Öl und trotzdem, etwas ist anders: Ich bin ganz bei mir. Gesundheit heisst auf ayurvedisch Svasthya. Übersetzt heisst dies «In sich selbst ruhen» resp. «Im Selbst ruhen». Genau dort bin ich.

Beim Verlassen des Spas fällt mir die hölzerne Tafel auf mit dem Spruch: «Es steht ausser Zweifel, dass all dein Wissen mit Erfahrung beginnt». Stimmt: Kein Mensch hätte mir jemals vermitteln können, wie sich eine Panchakarma-Kur wirklich anfühlt. Ein stilles Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht und damit die Gewissheit, dass eine Ayurvedazeit für mich fortan zu meinen Ritualen gehören wird.

Link zum Shanti Maurice

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