Die Vorbereitung
Die Nachfrage nach touristischen Reisen in Pakistan war nie gross, aber in den 90er-Jahren durfte Insight Reisen regelmässig Reisen durch den Karakorum organisieren. Vor den Terroranschlägen im Jahr 2001 in den USA (9/11) war die Route von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad über den Karakorum Highway nach Kashgar in China ein Klassiker und fixer Bestandteil der Reise auf der antiken Seidenstrasse. Die Anschläge brachten den internationalen Tourismus zum Erliegen. Mittlerweile hat sich die Situation im Land für Reisende wieder erheblich verbessert. Unsere Partner-Agentur in Pakistan, mit der wir schon mehr als 20 Jahre zusammenarbeiten, freut sich über eine gestiegene Nachfrage nach Reisen durchs Land. Die Formalitäten sind überschaubar: Neben einem gültigen Reisepass ist ein Visum vonnöten. Wir konnten es nach anfänglichen Schwierigkeiten online als E-Visa einholen. Damit war die einzige bürokratische Hürde dieser Reise genommen.
Die Suche nach geeigneter Literatur als Reisevorbereitung verlief weniger smooth. Die Bücher, die ich fand, handelten von Radikalisierung und Terrorismus – nicht das, was ich lesen wollte. Schliesslich fand ich «Daniel Pearls» von Bernard-Henri Lévy oder «Plötzlich Pakistan – mein Leben im gefährlichsten Land der Welt» von Spiegel-Korrespondent Hasnain Kazim. Beide Bücher sind lesenswert und helfen, die schwierigen Aspekte des Landes zu verstehen, die Reiselust entfachten sie aber nicht wirklich. Aktuelle Reiseführer neueren Datums gibt es (noch) nicht. Zum Glück stiess ich auf den Ethnologen, Islamwissenschaftler und Schriftsteller Jürgen Wasim Frembgen. Er hat lange Jahre in Pakistan gelebt und eine schöne Auswahl an Büchern über islamische Mystik und Kultur Pakistans geschrieben. Besonders empfehlen kann ich: «Sufi-Hotel», «Magie und Ekstase» und «Am Schrein des roten Sufi».
Sonntag, 24. September - Flug über Doha nach Karachi
Unsere kleine Reisegruppe von sechs Personen traf sich am Flughafen Kloten. Gemeinsam flogen wir an diesem Sonntag mit Qatar Airways nach Doha und dann weiter über Nacht nach Karachi.
Montag, 25. September - Ankunft in Karachi
Am frühen Morgen landete unsere Maschine in Karachi, der grössten Stadt Pakistans. Die Einreise verlief reibungslos und erstaunlich schnell. Beim Ausgang des modernen Flughafen-Gebäudes wartete unser lokale Guide Momin Shah auf uns. Entgegen den etwas düsteren Reiseberichten, die ich gefunden hatte (z.B. im Buch von Bernard-Henri Lévy) herrschte weder Chaos, noch gab es gefährliche Momente oder Polizeikontrollen auf dem Weg zum Hotel.Wir erreichten das gepflegte Haus zur Frühstückszeit. Das grosszügig ausgestattete Buffet genossen wir in vollen Zügen. Das Hotel verfügte über einen Garten mit Swimmingpool und ein Gym, wobei ersteres vor allem als Fotokulisse genutzt wird. Unser Sightseeing begann mit dem Besuch der St. Patricks Church und dem Mausoleum von Staatsgründer Muhamad Ali Jinnah. Beide Orte konnten wir nur von Aussen besichtigen, mit neugierigen ausländischen Touristen rechnet man hier nicht – und der Beamte mit dem Schlüssel war je nachdem, wen man fragte, in der Pause oder auch gar nicht auffindbar. Spannender war der Empress Market mit seinen Gewürz-, Fleisch-, Gemüse- und Früchteständen.
Diesmal waren es die Einheimischen, die uns neugierig betrachteten und das eine oder andere Handyfoto von uns machten. Erstaunlich: Obwohl Karachi mit über 20 Millionen Einwohnern die grösste Stadt Pakistans ist, kamen wir im Stadtverkehr gut voran. Nach einer kurzen Fahrt besuchten wir den Sufi-Schrein von Sufi Abdullah Shah Gazi, farbenfrohe Mosaike zieren das Grab des Heiligen. Wer sich hier etwas wünscht, darf auf Erfüllung hoffen. Auch hier waren wir als Touristen herzlich willkommen. Frauen müssen in Pakistan beim Besuch heiliger Stätten lediglich die Haare bedecken, ein Schal reicht.
Dass man im muslimischen Land keine kurzen Röcke oder Hosen trägt, versteht sich von selbst, auch die Männer hier tragen lange Hosen. Viel Zeit verloren wir mit der Registrierung von lokalen SIM-Karten, in diesem Büro eines lokalen Telecom-Anbieters schlug der Amtsschimmel zu: Formular, Unterschrift, Formular. E-Sim-Karten sind eindeutig praktischer. Rechtzeitig vor Sonnenuntergang erreichten wir die Clifton Beach, ein Strandabschnitt, an dem sich lokale Familien und einheimische Touristen am Abend einen Spaziergang gönnen. Es werden Fahrten in laut heulenden Quads angeboten und schaukelnde Kamelritte. Geröstete Nüsse und süsser Tee runden das Angebot ab. Der Dunst im Abendsmog sorgte für magisches Licht. Das Abendessen genossen wir im gediegenen Open-Air Restaurant «Kolachi» auf einer Terrasse über dem Meer. Rundherum werden hier Häuser mit Luxus-appartements hochgezogen – ein grosser Kontrast zur staubigen Altstadt von Karachi.
Dienstag, 26. September - Karachi - Hyderabad
Unsere Fahrt durch das Indus-Tal begann! Nach dem Frühstück im Hotel fuhren wir in unserem bequemen Toyota-Minibus aus der Grossstadt Karachi hinaus aufs Land zu den Gräbern von Chaukhandi, welche aus vorislamischer Zeit stammen. Filigrane Grabsteine von unglaublicher Schönheit reihen sich hier direkt neben der Landstrasse auf, Absperrungen oder Schutzzäune sucht man vergebens.
Neben unserem Guide Momin Sha begleitete uns an diesem Morgen Zafar Kashif, ein Musiker und Sänger aus Karachi. Er stammt aus einer wohlhabenden Familie in Karachi und führte uns zu seinem Herzensprojekt: In der Nähe des Landsitzes der Familie leitet der Musiker eine kleine Schule, in der die Kinder der Landarbeiter und Dorfbewohner Lesen und Schreiben lernen. In vielen Regionen funktionieren die Staatsschulen nicht, es werden zwar Löhne bezahlt, aber der Unterricht findet nicht statt. Die arme Bevölkerung des Landes hat darum kaum Zugang zu Bildung. Wir besuchten die kleine Schule und ich gab ein Konzert auf meiner Sitar. Mein Instrument begleitet mich auf all meinen Reisen. Zu meiner Freude hatte Zafar Kashif einen lokalen Tabla-Spieler gefunden, der mich begleitete. Gemeinsam spielten wir für die rund 50 anwesenden Kinder und führten sie in die Geheimnisse der klassischen indischen Musik ein. Auch wenn es nicht alle wahrhaben wollen – Pakistan und Indien teilen die Musiktradition.
Auf dem National Highway No. 5 ging es nach dem Schulbesuch weiter nach Hyderabad. Unterwegs kamen uns immer wieder die für Pakistan typischen bunt bemalten Trucks entgegen. Die Trucks waren mit Getrei-de beladen und sahen mehr aus wie gigantische Schiffe als wie Lastwagen. Beim Vorbeifahren rechneten wir insgeheim damit, dass sie kippen würden – doch nichts dergleichen geschah.
Gegen Mittag fuhren wir weiter nach Thatta, wo wir bei schweisstreibenden Temperaturen die Makli-Gräber besichtigten. Das riesige Areal umfasst 500’000 bis 1 Mio. Gräber und ist seit langer Zeit ein Unesco Weltkulturgut. Die frühesten Gräber stammen aus dem 15. Jahrhundert. Die imposanten Mausoleen aus der Mogul-Zeit sind dankbare Fotomotive und spenden gleichzeitig wunderbar Schatten. Wir wurden im Golfmobil herumgefahren – eine Vorzugsbehandlung für ausländische Gäste?
Am Nachmittag erwartete uns ein Highlight unserer Reise: In Thatta besuchten wir die Shah Jahan Moschee, eine der schönsten Moscheen, die ich je gesehen habe. Sie wurde 1659 im Stil der Mogul-Architektur aus Ziegelsteinen und rotem Sandstein erbaut. Die mit geometrischen Kachelmosaiken verzierten Kuppeln sind von überirdischer Schönheit. Weniger froh stimmte uns der Besuch der kleinen Koranschule, die in einem Teil des Gebäudes beheimatet ist, unter strenger Aufsicht rezitieren kleine Buben unentwegt Koransuren. Der anwesende Imam versicherte uns, dass an gewissen Tagen auch Mädchen unterrichtet würden. Wir wussten nicht, ob wir das gut finden sollten. Eine kurze Fahrt brachte uns schliesslich zu unserem Hotel in Hyderabad.
Mittwoch, 27. September: Hyderabad – Bhit Sha Sufi-Schrein – Sehwan Sharif
Touristische Fahrten werden im Indus-Tal von einer Polizeieskorte begleitet. Zu unserer eigenen Sicherheit, wird uns erklärt, man möchte nicht, dass uns etwas gestohlen werde. Wir wurden also von einem Polizei-Pick-up begleitet, nach jedem Stadtkreis übernahm eine neue Eskorte – ein Art Stafettenlauf auf Rädern. Die Beamten erwiesen sich zum Glück als zuvorkommend und hilfreich, sorgten sie doch an gut besuchten Pilgerplätzen dafür, dass wir uns problemlos bewegen konnten.
Auch auf der Strasse kamen wir zügig voran und erreichten noch vor der Mittagszeit den Sufischrein von Shah Abdul Latif Bhittai. Ein Ort, den wir nie mehr vergessen würden…
Im Mausoleum des Sufis und Dichters Abdul Latif Bhittai (1689-1752) waren etwa zehn Musiker ver-sammelt. Sie sassen mit ihren Instrumenten auf dem Boden, spielten und rezitierten dazu die Gedichte des Dichters. Diese Tradition wird seit 300 Jahren ununterbrochen weitergeführt. Wir wurden gebeten, uns in den Kreis der Musiker zu setzen. Die rhythmische Musik zog uns sofort in ihren Bann und wir konnten uns kaum mehr aus dem Kreis lösen. Nach diesen betörenden Stunden im Musikrausch besuchten wir, immer begleitet von «unseren» Polizisten, die sich lässig eine Kalaschnikow umgehängt hatten, den bunten Bazar in Hala mit vielen Läden, einer Töpferwerkstatt und eine Manufaktur, in der die in dieser Region bekannten Blockprint-Stoffe hergestellt werden. Erfüllt, aber auch ziemlich müde fuhren wir schliesslich zu unserem Hotel am Rande der Pilgerstadt Shewan Sharif.
Donnerstag, 28. September: Sehwan Sharif
Sehwan Sharif schlief noch, als wir uns am Morgen aus dem Hotel wagten. Wir besuchten ein kleines Dorf am Rande des Indus. Spontan schauten wir bei der Primarschule vorbei, ein einstöckiges Gebäude am Strassen-rand. Reisende kommen wohl nicht häufig vorbei, denn wir waren im Nu von neugierigen Kindern und freundlichen Lehrkräften umzingelt. Im Schulzimmer durften wir einer Geografie-Lektion bewohnen. Danach war für uns Schulschluss und wir starteten unsere Tour in der Pilgerstadt. Eine kurze Fahrt führte zum lokalen Fort, vorbei an grossen Herden von Wasserbüffeln am Flussufer und manchmal auch auf der Strasse vor uns...
Angekommen schluckte uns das bunte Treiben der Pilgerstadt. Musizierende Männer, tanzende Frauen, Betende, dazwischen Händler und flanierende Familien. Tausende von Pilgerinnen und Pilger kommen jährlich an einem bestimmten Donnerstag zum Mausoleum des Sufi Lal Shabaz Qalander (1177 – 1274). Beim Schrein von Bodla Bhar, dem Lieblingsschüler von Lal Shabaz Qalander versammeln sich dann hunderte von Musikern und Malangs. Malangs sind die pakistanische Version der Sadhus, Wandermönche, die an spirituelle Orte pilgern. Kein Wunder, den Sehwan Sharif soll vor der Islamisierung Pakistans Shivas Kraftort und Tempel gewesen sein.
Wir spazierten durch die verwinkelte Altstadt, durch einen lebendigen Bazar bis zum Mausoleum. Jeden Abend findet hier, im Innenhof des Schreins, das Dhamal-Ritual statt. Auch hier waren wir herzlich willkommen und wurden gebeten, neben den Frauen und Kindern, die am Rande des grossen Hofes sassen, Platz zu nehmen. Das Ritual begann mit archaischen Trommelwirbeln, die lauter und schneller wurden. Männer und Frauen räumlich getrennt, Kinder, Alte und Junge tanzten, sprangen und wiegten sich in Trance. Während die Männer im Rhythmus ähnlich dem Headbangen an Rockkonzerten die Köpfe schüttelten, setzten sich einige Frauen und schlugen ihre langen Haare auf den Boden. Die Atmosphäre zu beschreiben, fällt mir schwer. Ekstatisch, wild, spirituell – auf jeden Fall stets freundlich und einladend. Wir dürfen einen Islam erleben, den wir uns so nie hätten vorstellen können, wild, laut und frei. Ich glaube, ein solches Ritual muss man selbst erlebt haben, um es zu verstehen.
Freitag, 29. September: Sehwan Sharif - Sukkur - Islamabad
Da wir eine lange Fahrt vor uns hatten, fuhren wir früh los. Die Polizeieskorte liess sich nicht mehr blicken, vielleicht hatten die Beamten schlicht keine Lust, so früh aufzustehen. Auf der Fahrt durch das ländliche Idustal begegneten uns Kamele, Büffel und Eselskarren. Nach einer längeren Fahrt vorbei an Bauerndörfern und klei-nen Handwerksbetrieben stoppten wir bei einer Ziegelei. Rauchschwaden stieg auf, Männer, die schaufelten, Esel, die gebrannten Ziegelsteine schleppten. Die Ziegelbrenner schwitzten, die Esel trippelten langsam in der glühenden Sonne. Diese Gegend stand im Jahr 2022 wegen grosser Überschwemmungen tagelang unter Was-ser, jetzt wirkte es hier eher so, als ob es gar nie regnen würde – staubig, trocken, karg.
Kein Wunder: Wir befinden uns ganz in der Nähe des heissesten Ortes der Welt – Jacobabad. Wir verzichten auf einen Besuch, fahren weiter nach Mohenjo-Daro. Nach einer wohligen Pause im klimatisierten Besucherzentrum dieser Ruinenstadt ziehen wir los in diese versunkene Stadt, deren Ausmasse mehr als beeindruckend sind. Seine bedeutendste Zeit hatte dieser Ort zur Zeit der Hochkulturen (2500 v. Chr). Etwas später im Jahre 200 n.Chr. wurde auf der Anlage während der Kushan-Periode eine grosse buddhistische Stupa erbaut. Wer die paar Stu-fen zur religiösen Stätte erklimmt, hat einen guten Überblick über die ganze Anlage. Ein kleines, hübsch gemachtes Museum rundet den Besuch ab. Zurück im Besucherzentrum mit Gästehaus werden wir mit einem hervorragenden Lunch verwöhnt, wie meist im Land, erwarten uns verschiedene Gemüsecurrys, Fleischgerichte und frischgebackene Chapati.
Müde, aber zufrieden fuhren wir weiter Richtung Sukkur, eine kleine Provinzstadt mit Flughafen. Letzterer ist unser Ziel, denn ein Inlandflug soll uns nach Islamabad bringen. Um uns die Zeit zu vertreiben, unternehmen wir eine kurze Flussfahrt. Wir hätten ruhig länger auf dem knatternden Holzboot rumtuckern können, denn die lokale Fluggesellschaft PIA (scherzhaft: Please Inform Allah) machte ihrem schlechten Ruf alle Ehre. Sechs Stunden liess die Maschine auf sich warten. Wir nutzten die Zeit, um uns mit den Mitreisenden zu unterhalten und erfuhren einiges über den Alltag der pakistanischen Mittelschicht. Kurz nach Mitternacht erreichten wir dann doch noch unser Hotel in Islamabad.
Samstag, 30. September: Islamabad - Naran
Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, überraschte uns mit breiten Alleen, modernen Hochhäusern und neuge-bauten Schnellstrassen. Nach einem späten Frühstück in einem Design-Hotel fuhren wir mit einem neuen Minibus Toyota Coaster mit 18 Sitzen für unsere 6-köpfige Gruppe auf einer vierspurigen Autobahn in Richtung Peshawar. Big city life. Polizeibegleitung war hier nicht mehr vorgesehen.
Unterwegs passierten wir Abottabad, die pakistanische Garnisonstadt, in der sich Usama Bin Laden viele Jahre lang unerkannt aufgehalten hatte. Wir verzichteten darauf, die Stadt zu besuchen, genossen die Fahrt Richtung Berge ins Kaghan-Tal. Die Landschaft wurde zunehmend hügeliger und die Strassen schmaler und holpriger, ein chinesisches Wasser-kraftwerk stand trotzig in der Talsperre. Die Strassen sind hier von zahlreichen Restaurants gesäumt. In den Sommermonaten flüchten einheimische Touristen und Familien aus Islamabad vor der Hitze im Tiefland hier-her.
Wir hatten uns inzwischen an die Temperaturen weit über 30 Grad im Indus-Tal gewöhnt, in unserem Bergsteiger-Hotel in Naran, in dem gegen Abend landeten, war es gerade einmal 12 Grad kalt. Wir duschten nur kurz mit eiskaltem Wasser und gruben dann unsere Faserpelzjacken aus. Willkommen im Norden Pakistans, willkommen in der Heimat der höchsten Berge der Welt!
Sonntag, 1. Oktober: Naran – Karimabad auf den Karakorum-Highway
Durch eine wild zerklüftete Landschaft fuhren wir auf den Babusar-Pass (4173 m), welcher nur von Mai bis Mitte Oktober passierbar ist. Auf dem Pass erwarteten uns Wolken, einzelne Schneeflocken und ein fieser Wind. Ein Fotostopp musste sein, aber wir waren froh, bald wieder in wärmere Gefilde vorstossen zu dürfen.
In Chilas bog unser Bus dann endlich auf den legendären Karakorum-Highway ein! Die sagenumwobende Strasse brachte uns vorbei an spektakulären Bergflanken nach Gilgit, den Hauptort der Region Gilgit-Baltistan. Hier strahlte die Sonne vom blauen Himmel, doch die Gipfel des Nanga Parbat und Rakaposhi versteckten sich trotzdem hinter Wolken. Den nächsten Stopp machten wir bei einem Aussichtspunkt, von dem man einen perfekten Blick auf den Ort hat, an dem sich die Gebirgsketten Hindukusch, Karakorum und Himalaya begegnen.
ine eindrückliche Szene über dem Indus-Fluss, die wir gemeinsam mit einer Gruppe pakistanischer Frauen genossen. Erst beim zweiten Hinhören erkannten wir astreines British English und schwarzen Humor. Die Frauen lebten in England und besuchten die Heimat ihrer Eltern und Grosseltern. Andere westliche Touristen hatten wir bisher keine gesehen.
Gegen Abend erreichten wir das Hunza-Tal mit dem Hauptort Karimabad auf 2450 m.ü.M. Noch vor Sonnenuntergang checkten wir im wunderschönen Serena-Hotel ein, mitten in einer grossen Gartenanlage direkt neben der Festung von Altit. Im stilvollen Speisesaal genossen wir ein Abendessen mit lokalen Spezialitäten aus dem Hunza-Tal – eine Art Pizokel mit Spinat und Hüttenkäse. Kein Wunder, fühlten wir uns sofort heimisch.
Montag, 2. Oktober: Karimabad (Hunza-Tal)
Ein Morgen wie im Bilderbuch! Der Blick aus dem Hotelzimmer offenbarte die ganze Schönheit dieses versteck-ten Tales im Norden Pakistans: Das Grün des Tales, das Türkis des Hunza-Rivers, das Leuchten der Sonne und in scheinbar greifbarer Nähe die schneebedeckten Gipfel der höchsten Berge der Welt – unter ihnen der Rakaposhi! Nach einem guten Frühstück machten wir uns zu Fuss auf zum Altit Fort, das auf einem Felsvorsprung über dem Tal thront. Das Fort, das im 11. Jahrhundert erbaut wurde, bot der Familie des lokalen Fürsten, 350 Meter über dem Fussvolk, Schutz und Heimat. Das Fort wurde von der Aga Khan Stiftung liebevoll restauriert, das imposante Bauwerk bietet eine perfekte Sicht über das ganze Tal und der redseelige Guide verriet uns das eine oder andere Geheimnis aus vergangener Zeit.
Später schlenderten wir durch die schmalen Gassen der Altstadt und trafen in der Dorfmitte auf eine Gruppe von Hunza-Frauen. Sie gelten als die langlebigsten und gesündesten Frauen der Welt! Tatsächlich sassen die sichtlich betagten Frauen mit locker gekreuzten Beinen auf dem Boden und schwatzten angeregt. Viele Legenden, Geschichten und Märchen ranken sich um die schier unsterblichen Hunzas. Wegen ihrer gesunden Lebensweise sollen die Leute hier bis ins hohe Alter Kinder zeugen können und trotz der fehlenden medizinischen Betreuung keine Zivilisationskrankheiten kennen. Bis in die Schweiz eilte ihr Ruf: Das Volk der Hunzas inspirierte den Schweizer Dr. Bircher bei der Erfindung seines Birchermüeslis.
Die Journalistin Tanja Polli, welche diese Reise begleitete, nutzte die Gelegenheit für ein Interview mit den Frauen auf dem Dorfplatz. Die Frauen lobten die gesundheitsfördernde Wirkung der lokalen Aprikosen und Nüsse und wunderten sich darüber, warum sich so viele Leute für ihr Alter interessieren.
Nach dem kurzen Schwatz spazierten wir zum noch höheren der beiden Forts in Karimabad, dem Baltit-Fort. Ein Bau von schlichter Schönheit, inspiriert von der tibetischen Architektur, auf den zweiten Blick springt den Besuchenden die Ähnlichkeit mit dem Potala-Palast in Lhasa ins Auge. Dass hier vor langer Zeit buddhistisch gelebt wur-de, lässt sich nicht von der Hand weisen. Jetzt prägt der Tourismus das Städtchen, Reisende aus aller Welt sind hier ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, das zeigt sich an den zahlreichen Restaurants, Shops, Kaffees und Bou-tiquen mit schönen Schals aus Kashmiri-Wolle. Nach einer Yak-Pizza genehmigten wir uns einen Cappuccino und eine Nusstorte im lokalen Hunza Coffee Shop. Bei einem Blindtest würde die hier berühmte, etwas dickere Torte garantiert als Bündner-Nusstorte durchgehen. Wir wunderten uns also nicht, dass hier im nördlichen Pakistan auch Gerstensuppe serviert wird.
Hier im Coffee Shop treffen wir den jungen Filmemacher Nadeem Alkarimi. Mit seinen Filmen zur Kultur der Hunza gewann er bereits einige Preise. Nadeem lud uns in sein Künstlerheim ein, seine Frau, die aus Lahore hier in die Berge gezogen ist, ist eine gefeierte Kunstmalerin. Gemeinsam wanderten wir den antiken, offenen Bewässerungskanälen der Stadt entlang Richtung Stadtrand. Das Wasser, das hier fliesst, soll – wen wunderts – für ein langes Leben sorgen. Wir verzichteten darauf, einen Schluck zu nehmen und erfuhren von Nadeem, dass auch er sich über Wochen an den Genuss dieses Wassers gewöhnen musste, Bauchkrämpfe inklusive. Wir schätzen das Mineralwasser und das wunderbare Nachtessen mit lokalen Spezialitäten umso mehr.
Dienstag, 3. Oktober: Nagar Valley - Duiker
Heute wagten wir uns auf die andere Seite des Hunza-Rivers ins Nagar Valley. Zwischen den beiden Tälern herrscht eine Rivalität, die in alten Zeiten immer wieder zu heftigen Konflikten führte. Kein Wunder: Kaum über dem Fluss befinden wir uns im Reich des ehemaligen Fürsten von Nagar! Wir stellten uns vor, wie der Mir von Karimabad hoch oben im Altit-Fort argwöhnisch beobachtete, was sich da auf der anderen Seite des Flusses tat. Wir stoppten für einen Chai im Hauptort des Tales. Tatsächlich war auch für uns ein kultureller Unterschied spürbar: Während die Frauen im Hunzatal in Hotels und Shops arbeiten – teils ohne Schleier – sind hier nur Männer auf der Strasse. Die wenigen Frauen, die wir zu sehen bekamen, huschten tief verschleiert den Wänden entlang. Während im Hunzatal ein liberaler Islam gelebt wird, ganz im Sinne des Aga Khans, waren wir hier im Gebiet konservativer Schiiten. Uns zog es weiter ans obere Ende des Tales zum Bualtar-Gletscher, einer der sich am schnellsten bewegende Gletscher der Welt, Ausgangspunkt mehrerer kürzerer oder längerer Trekkingtouren. Wir beliessen es beim Abstieg zur Gletscherzunge und genossen die atemberaubende Aussicht auf die umliegende Bergwelt. Nach einem Lunch unter Apfelbäumen fuhren wir zurück nach Karimabad im Hunza-Tal und von dort weiter hoch in die Berge bis nach Duiker, auch Adlernest genannt. Hier genossen wir zum Sonnenuntergang die wohl schönste Aussicht über das Hunza-Tal, die man finden kann.
Mittwoch, 4. Oktober: Karimabad - Passu (Upper Hunza)
Der Himmel zeigte sich nicht von seiner besten Seite und wir erlaubten uns, ein wenig länger liegen zu bleiben. Nach dem Frühstück fuhren wir zurück auf den Karakorum Highway und weiter in Richtung chinesische Grenze. Nach rund zwei Stunden Fahrt stoppten wir am türkisblauen Attabad Lake. Ein See, den es so eigentlich gar nicht geben dürfte – hier ereignete sich 2010 ein Erdrutsch von immensem Ausmass, er begrub die Strasse unter sich und staute den Hunza-Fluss zu einem 21 km langen See. Mehrere Jahre lang musste dieser Abschnitt des Karakorum Highways mit lokalen Fähren überbrückt werden – im Winter war die Lebensader der Region unpassierbar. Mittlerweile wurde die Strasse von chinesischen Bauunternehmen mit den eindrücklichen «Pak China Friendship Tunnel No. 1 bis 4» neu gebaut. Nach dem vierten Friendship-Tunnel war Trittsicherheit gefragt. Das Überqueren der Hussaini-Hängebrücke ist nichts für Sicherheitsfanatiker oder Menschen mit Höhenangst – allen anderen verspricht die wacklige Brücke grossen Spass. Die noch Mutigeren nehmen für die Rückkehr auf die andere Flussseite die ZIP-Line (193 m lang und 43 m hoch). Die Helme sassen nicht perfekt, aber über dem glitzernden Wasser des Flusses stellte sich so etwas wie das Gefühl vom Fliegen ein.
Mit noch etwas wackligen Knien fuhren wir weiter nach Passu und weiter zum Borith Lake. Kurz nach diesem See liegt der Startpunkt eines kurzen Trekkings zum Passu-Gletscher. Ein kleiner Stand mit Süssgetränken lud zur Stärkung. Mitten in dieser spektakulären Bergwelt ist es kaum vorstellbar, dass es vom Passu-Gletscher bis zum Strand in Karachi gerade einmal 1500 km sind. Das kurze Trekking führte uns zur Zunge des Gletschers, die in hellblauem Licht erstrahlte und uns einlud, dem Knacken und Rauschen der sich ständig bewegenden Eismasse zuzuhören.
Zurück im Tal genossen wir die Vorteile davon, dass hier der Tourismus boomt, denn das kulinarische Angebot ist entsprechend gross. Auf Anraten unseres Guides, der im Hunza-Valley geboren wurde, besuchten wir das nahe Yak-Grill Restaurant. Die Karnivoren in der Gruppe bekamen gut gelagertes Yak-fleisch vom Grill und Pommes mit einer Sauce, die ein wenig schmeckte wie Sauce Bernaise, dazu aus der Kühlbox im Bus: ein kühles Bier. Nach der Wanderung zum Gletscher waren wir überzeugt, dass es spektakulärer nicht werden könne. Weit gefehlt: Auf unserer Weiterfahrt wurden die Bergflanken noch höher, noch steiler, die Farben noch betörender, in der Ferne sahen wir die schmale Strasse, die in den oberen Teil des Hunza-Tals, nach Shimshal führt. Die Familie unseres Guides Momin Shah lebt in dieser abgelegenen Gegend von der Bergwirtschaft, züchtet dort Yaks.
Das nächste Mal, versprachen wir, kämen wir zu Besuch. Gegen Abend waren wir zu Besuch in der Musikschule im Bulbilik Heritage Center in Gulmit, das die lokale Musikkultur der Wakhi fördert, der Wakhan-Korridor, welcher zu Afghanistan gehört, ist gar nicht weit entfernt. Mit einem schönen Konzert mit Rabab, Harmonium und Gesang sowie meiner Sitar beschlossen wir diesen ereignisreichen Tag.
Donnerstag, 5. Oktober: Attabad Lake - Shigar Valley
Wir übernachteten in einem schönen Hotel direkt am eisblauen Attabad Lake. Beim Frühstück trafen wir eine grössere Touristengruppe aus Malaysia, die Stunden damit verbrachte, Selfies vor Bergkulisse zu machen. Auf dem Karakorum Highway ging die Fahrt zurück bis nach Gilgit. Dieses Mal war uns der Wettergott gut gesinnt und wir durften den Rakaposhi (7788 m) und Nanga Parbat (8126 m) in ihrer ganzen Pracht bewundern. Auch wenn man keine Berggeiss ist, entwickelt man im Nu eine Ehrfurcht vor diesen Riesen – einfach unglaub-lich schön! Eine neu gebaute Strasse führte uns in einer Schlucht dem Indus entlang, gesäumt von schneebe-deckten Bergen bis nach Skardu (2430 m). Unser heutiges Ziel war das Shigar Fort im Shigar Valley. Auch dieses Fort wurde von der Aga Khan Stiftung, die stark in den Tourismus investiert, in ein Hotel umgebaut. Ein Heritage Hotel vom Feinsten, wie ich es aus Indien kenne. Spannend: Rund 70 Prozent des Gewinns dieser Hotels bleiben im Dorf und werden für den Ausbau der Infrastruktur oder die Wirtschaftsförderung eingesetzt.
Freitag, 6. Oktober: Shigar - Kaphlu Valley
Nach einem ausgiebigen Frühstück fuhren wir durch die Sarfaranga-Wüste, die auch die «kalte Wüste» ge-nannt wird. Hier fand bei unserem Besuch gerade eine dreitägige Ralley statt, dem Shyok River entlang bis ins Kaphlu Valley (2600 m). Grosse Autos und sichtlich gut betuchte Familien bevölkerten die kalte Wüste. Der Shyok-Fluss entspringt am Berg Kailash in Tibet. Tatsächlich erinnert die Landschaft hier an Tibet oder Ladakh im indischen Himalaya, was wiederum kein Wunder ist, befinden wir uns doch nahe der indischen Grenze. Un-terwegs genossen wir in Gol das Dorfleben und die Gespräche mit den neugierigen Dorfbewohnern. Nach einer holprigen Fahrt in Kaphlu angekommen, entspannten wir uns im Garten des schönen Hotels. Auch hier befan-den wir uns in einem restaurierten Fort, dem Fort von Kaphlu, das – wen wunderts –von der Aga Khan Stiftung restauriert wurde. Gegen Abend spazierten wir durchs Dorf, besuchten die historische Chagchan Moschee und genossen die Aussicht auf die Bergspitzen der Haldi Cones.
Samstag, 7. Oktober: Kaphlu Valley - Skardu
Durch das malerische Bergtal ging es zurück nach Skardu. Skardu ist der Ausgangspunkt für Alpinistinnen und Trekker zum K2 (8611 m), dem zweithöchsten Berg der Welt. Das Trekking zum Konkorida-Platz mit Sicht auf den K2 ist allerdings anspruchsvoll und dauert mindestens zwei Wochen. Nichts für uns. Wir waren auf dem Weg zu ins Hotel, machten aber spontan Halt, um einem Polo-Match beizuwohnen. Unsere Anwesenheit sorgte erst für ungläubige Blicke, danach wurden wir sofort in die Fan-Ränge aufgenommen. Auf dem Spielfeld zusammengedrängt, bewegten wir uns mit den anderen Fans vor- und zurück, die Richtung immer davon ab-hängig, ob gerade eine Mannschaft auf uns zu galoppierte oder sich die Pferde von uns wegbewegten. Das Wort «Polo» kommt ursprünglich aus der Balti-Sprache und bedeutet «Ball», der Sport ist hier sehr populär. Es waren Tausende, die auf dem Polo Ground von Shigar mitfieberten. In den kurzen Pausen zwischen den Angrif-fen wurden traditionelle Folktänze aufgeführt. Um eine einmalige Erfahrung reicher, übernachteten wir heute noch einmal im grossartigen Palasthotel von Shigar.
Sonntag, 8. Oktober: Skardu - Islamabad - Lahore
Winter! Über Nacht hatte es auf den Passhöhen geschneit und wir entschieden uns kurzfristig, nicht über Pässe zu fahren, sondern unser Reiseprogramm anzupassen und mit dem Flugzeug zurück nach Islamabad zu rei-sen. Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass die Flugverbindungen von diesem kleinen Bergflughafen aus zuverlässig sind. In den Sommermonaten gibt es hier sogar einen Direktflug nach Dubai. Die Route nach Islamabad wird auch von einer privaten Fluggesellschaft geflogen, die uns sympathischer erschien als die noto-risch verspätete PIA, die uns in Sukkur sechs Stunden hatte warten lassen. Pünktlich reisten wir mit einem Airbus A-320 der Blue Air nach Islamabad. Wer links sass, konnte einen letzten Blick auf den Nanga Parbat werfen. In Islamabad angekommen, fuhren wir nach einem Mittagessen zusammen mit der Familie unserer lokalen Agentur, auf einer mehrspurigen Autobahn direkt nach Lahore. Die Landschaft hatte sich verändert, nach der Reise auf dem Karakorum-Highway durch karge Felslandschaften, sprang einen hier das Grün der Felder regelrecht an. Das Punjab ist fruchtbar, vor den Fenstern unseres Busses zogen Reisfelder vorbei, auf denen Basmati Reis angebaut wird, überall waren Obstbäume und wir passierten das Salzbergwerk in Kherwa, wo seit Generation Himalaya-Salz gefördert wird. In Lahore angekommen, freuten wir uns auf das Stadtleben und stürzten uns direkt in den Anarkali Bazar in der Altstadt. Die Strasse ist bekannt für ihren Streetfood-Market. Umringt von Strassenmusikern genossen wir frisch gegrillte Fleischspiesse mit Naan-Brotfladen.
Montag, 9. Oktober: Lahore - Multan
Vorbei an Feldern, auf denen Zuckerrohr und Baumwolle angebaut wird, fuhren wir Richtung Multan, «the city of dust». Staubiger als in Lahore war es hier aber definitiv nicht. Wir wurden in ein Business-Hotel einquartiert, und sahen wieder einmal westliche Reisende, Geschäftsleute, die hier an einer Konferenz teilnahmen. Leider sind in dieser Region die Polizeieskorten wieder vorgeschrieben, Rucksackreisende haben es schwer und sind nicht gern gesehen. Die Regierung will mit allen Mitteln sicherstellen, dass es keine Entführungen oder Überfälle gibt. Das könnte man akzeptieren, wären die Beamten hier nicht unpünktlich und unzuverlässig. Wir warte-ten also länger auf unsere Eskorte, umso schneller erreichten wir dann unsere Ziele, das Grabmahl des Shah Shams Taez, das Mausoleum des Bahauddein Zakariya und als Höhepunkt zum Sonnenuntergang das achteckige Mausoleum Rukn-i-Ala, des Sufi-Heiligen Shah Rukn-e-Alam aus dem 14. Jh. Dieses Mausoleum ist das bedeutendste Bauwerk von Multan. Wir genossen das bunte Treiben und den herzlichen Austausch mit den lokalen Besucherinnen und Besuchern. Begleitet von «unseren» Polizisten streiften wir durch den lokalen Bazar und kehrten anschliessend samt Polizei-Team im für seine Küche weiterherum bekannten Bundu-Khan Restaurant ein.
Dienstag, 10. Oktober: Multan - in die Wüste nach Bahawalpur
Nach unserem Frühstück vom Buffet, das wir mit Handelsreisenden aus aller Welt teilten, stand der Begleit-schutz diesmal Mal pünktlich bereit. Entlang von Baumwollfeldern und Mangohainen fuhren wir in die Wüste von Cholistan. Nach einer abwechslungsreichen Fahrt erreichten wir Uch Sharif, das eindrückliche Grab-mahl, das einer Frau gewidmet ist – Bibi Jawindi. Sie soll die Urenkelin von Jahaniyan Jahangasht (1307–1383) gewesen sein, einem Schüler von Baha'al-Halim, von dem allgemein angenommen wird, dass er massgeblich am Bau des Grabmals seines Lehrers beteiligt war.
Überraschend für uns: Was von vorne aussieht, wie ein perfektes Bauwerk, ist von hinten betrachtet eine Ruine. In dieser Region sind traditionelle Schlangenbeschwö-rer anzutreffen – sie kennen die Zukunft und nehmen für ihre Vorhersagen gerne einen Batzen. Immer wieder begegneten uns auch Kamele. Auch beim Derawar Fort, einer grossen quadratischen Festung mit einem Um-fang von 1500 Quadratmetern und bis zu 30 Meter hohen Festungsmauern. Wir liessen uns zu einem kurzen Kamelritt hinreissen und machten einen Spaziergang im Innern des Forts. Das uns bekannte Jaisalmer in der Wüste Thar von Rajasthan in Indien ist nur rund 200 km entfernt, entsprechend ähnlich wirkt hier die Szenerie. In Bahawalpur selbst besichtigten wir schliesslich den Noor-Mahal-Palast, gebaut im Stil eines italienischen Schlosses. Auch hier herrschte wieder aufgeräumte Stimmung, wir trafen auf zahlreiche Gruppen von Frauen und Männern, die mit uns Selfies machen wollten.
Beim Nachtessen in einem edlen Restaurant feierten wir an diesem Abend den Geburtstag unseres sichtlich gerührten Guide Momin Shah mit einem grossen Geburtstags-kuchen.
Mittwoch, 11. Oktober: Bahawalpur - Lahore
Heute stand die Fahrt zurück nach Lahore auf dem Programm. Das Nachtessen in der Altstadt von Lahore auf dem Dach des Haveli Restaurant mit grandioser Sicht auf die riesige Badshahi-Moschee, liess uns das lange Sitzen im Bus rasch vergessen.
Donnerstag, 12. Oktober: Lahore
Ausgeruht und voller Tatendrang genossen wir eine ausgedehnte Besichtigung der Altstadt mit dem Lahore-Fort und der Badshahi-Moschee aus der Mogul-Zeit im 17. Jahrhundert.
Das Lahore Museum mit der Statue des fastenden Buddhas war angenehm ruhig und luftig. Nach dem Lunch machten wir uns auf zur nahen indischen Grenze. Unterwegs stoppten wir bei den grossen Gärten von Shalimar und dem kleineren Garten von Gulabi-Bagh – kleine Hideaways inmitten der pulsierenden Stadt. Das Spektakel bei der Wagha Border, an der sich die indische und pakistanische Armee jeden Abend den gleichen ritualisierten Schattenkampf bieten, übertraf alle unsere Erwartungen. Auf beiden Seiten der Grenze plärrten aus gigantischen Lautsprechern schmerzlich laute nationalistische Hymnen. Auf den Tribünen versammelten sich Familien, viele mit in den Landesfarben geschminkten Gesichtern. Während die indischen Ränge voll waren, fanden wir auf der pakistani-schen Seite problemlos Platz.
Im Stechschritt und mit absurd wirkenden Drehungen und Drohgebärden schritten die Uniformierten die Grenze ab. Gejubel, Gejohle, Machogehabe. Wir konnten die historische Feindschaft nicht nachvollziehen, wären wir doch gerne weitergereist Indien, in die Stadt Amritsar mit dem Goldenen Tempel der Sikhs, sie liegt nur einige Kilometer entfernt. Am Schluss des Spektakels wurde das Grenztor, das einmal kurz geöffnet wurde, demonstrativ wieder geschlossen. Definitiv kein Durchkommen – auch nicht für ausländische Touristen. Mit einem leichten Pfeifen in den Ohren fuhren wir zurück in unser Hotel in Lahore.
Freitag, 13. Oktober: Lahore
Unser letzter Tag in Pakistan war angebrochen. Wir würden dieses Land wehmütig verlassen, das stand bereits fest. Wir entscheiden uns, den Bahnhof Lahore Junction Station zu besuchen. Im Gegensatz zu meiner Erfahrung aus Indien, geht es hier ruhig und gesittet zu und her.
Das Highlight des Tages war dann definitiv die Altstadt von Lahore mit den schmalen Gassen, der Walled City, dem Delhi Gate, dem Shahi Hammam und der wunderschönen Wazir Khan Moschee. Wir tranken einen letzten Chai und kauften ein paar Souve-nirs ein. Am Abend noch einmal Tapetenwechsel, wir fuhren in den modernen Stadtteil von Lahore mit Einkaufszentren, Businesstowern und Hochhäusern. Hier nahmen wir in einem gediegenen Rooftop-Restaurant Abschied von einem Land, das wir sicher nicht das letzte Mal bereist haben.
Samstag, 14. Oktober: Rückflug Lahore - Doha - Zürich
Frühmorgens dann der Transfer zum Flughafen in Lahore und Flug mit Qatar Airways über Doha zurück nach Zürich.
Fazit der Reise nach Pakistan
Als ich vor meiner Abreise jemandem erzählte, dass ich nach Pakistan fliegen werde, erntete ich fragende Blicke: «Warum Pakistan?»
Die meisten Menschen assoziieren mit Pakistan Terrorismus und Gewalt. Die Medien berichten kaum über Sufi-Musik oder das schöne Bergpanorama im Hunza-Tal…
Um die Pointe vorwegzunehmen: Diese Reise war eine der eindrücklichsten, die ich je unternommen habe. Selten habe ich so viele schöne Erinnerungen an interessante Begegnungen, so viele bleibende Eindrücke und Fotos nach Hause gebracht. Gerade, wenn man sich im indischen Subkontinent wohl und zu Hause fühlt, sollte man Pakistan besuchen. Obwohl nach der Teilung moslemisch dominiert, hat Pakistan kulturell viel mit Indien gemeinsam. Da ich ein wenig Hindi spreche, konnte ich mich in Urdu verständigen. Die Menschen waren ausnahmslos freundlich und offen.
Was die Sicherheit anbelangt, hatten wir nie Bedenken. Die vorgeschriebene Polizeieskorte im Indus-Tal ist meines Erachtens mehr ein Protokoll als eine Notwendigkeit. Ich kann jetzt klar sagen, dass sich die Sicherheitslage in Pakistan für Reisende enorm verbessert hat. Zu meiner Freude wird nun auch vom EDA/auswärtigem Amt nicht mehr generell von Reisen nach Pakistan abgeraten. Interessanterweise trafen wir immer wieder auf Reisegruppen aus diversen asiatischen Ländern – nur die Europäer scheinen sich noch schwerzutun. Was beim Reisen auch nicht unwichtig ist, ist das Essen. Die pakistanische Küche ist abwechslungsreich und bekömmlich, auf ein kühles Bier am Abend muss man allerdings meistens, wenn auch nicht immer verzichten. Mit Ausnahme von eine paar Nächten im Indus-Tal in einfachen, aber sauberen Hotels, waren unsere Unter-künfte in den grösseren Städten und in den Bergen schön und gepflegt. Vor allem die Hotels der Aga Khan Gruppe sind äusserst gut geführt. Die Landschaften im Karakorum und die Sufi-Schreine im Indus-Tal sind ein bleibendes Erlebnis. Mit einer klugen Planung ist eine Reise nach Pakistan ein absolutes Highlight, gerade für Menschen, die Indien lieben. Die beste Reisezeit ist von März bis Oktober.
Pakistan in den Medien
Sonntagszeitung von Tanja Polli
NZZ von Lia Pescatore
Der Mythos Hunza-Tal und der Birchermüesli-Erfinder Maximilian Bircher-Benner (nzz.ch)
NZZ von Andreas Pabst
Pakistan leidet unter dem Klimawandel - kann man hier noch leben? (nzz.ch)
Kurzübersicht:
Die Vorbereitung
Sonntag - Flug nach Karachi
Montag - Ankunft in Karachi
Dienstag Karachi - Hyderabad
Mittwoch - Hyderabad - Bhit Sha Sufi-Schreib - Sehwan Sharif
Donnerstag - Sehwan Sharif
Freitag - Sehwan Sharif - Sukkur - Islamabad
Samstag - Islamabad - Naran
Sonntag - Naran – Karimabad auf den Karakorum-Highway
Montag - Karimabad (Hunza-Tal)
Dienstag - Nagar Valley - Duiker
Mittwoch - Karimabad - Passu (Upper Hunza)
Donnerstag - Attabad Lake - Shigar Valley
Freitag - Shigar - Kaphlu Valley
Samstag - Kaphlu Valley - Skardu
Sonntag - Skardu - Islamabad - Lahore
Montag - Lahore - Multan
Dienstag - Multan - in die Wüste nach Bahawalpur
Mittwoch - Bahawalpur - Lahore
Donnerstag - Lahore
Freitag - Lahore
Samstag - Lahore - Zürich
Fazit
Pakistan in den Medien